Alpenüberquerung Etappe 3: Von der Wasseralm zum Ingolstädter Haus

Die Übernachtung in der Wasseralm ist trotz eines komplett belegten Schlaflagers durchaus erholsam (wir schlafen ein, sobald unsere Köpfe die Kissen berühren) und stehen am nächsten Morgen wieder recht früh auf. Da wir nicht wissen ob es wie angesagt den ganzen Tag regnen soll, sitzen wir recht schnell mit einer großen Schüssel Müsli, Kaffee und Tee am Frühstückstisch und schmeißen uns auch schon kurz danach in die Regenklamotten. Zu unserer bitteren Erkenntnis wurde der Trockenraum über Nacht nicht wie geplant beheizt, sodass unsere Sachen leider kein bisschen getrocknet sind und die Wollsocken durch die Feuchtigkeit im Raum heute noch nasser als zuvor sind. Da müssen also die (soweit vorhanden) noch trockenen Wechselklamotten heraus gekramt werden und wir versuchen noch während des Frühstücks ein paar Kleidungsstücke am Ofen zu trocknen. Grüße gehen raus an Peter, Anna und das Pärchen aus Maria Alm, denen es exakt genauso geht wie uns. Was ein zauberhafter Start in den Tag…

Da wir mittlerweile wissen, dass wir eher zu den langsam wandernden Menschen gehören und heute wieder eine lange Strecke vor uns liegt, sind wir unter den ersten Wander*innen die im Dauerregen starten. Die Anderen wollen warten, bis der Regen aufhört. Was am Ende des Tags leider nur kurzzeitig passieren wird.

Der heutige Weg führt uns über das Kärlingerhaus auf 1.638m, welches wir laut Wanderführer nach ca. 4 Stunden erreichen sollen, durch das Steinerne Meer zum Ingolstädter Haus auf 2.119m. Das Steinerne Meer ist für mich persönlich eine total unwirkliche, faszinierende und atemberaubend schöne Landschaft. Man wandert in den unterschiedlichsten Felsformationen und fühlt sich dabei als Mensch so klein in dieser massiven Bergwelt. Ich hätte wochenlang dort bleiben können und hätte mich an der Landschaft nicht sattsehen können.

GESAMTSTRECKE von 16,6km in 9:50h
HÖHENMETER 1270m bergauf/ 600m bergab

Als wir starten wissen wir noch nicht, dass es der Weg (zumindest für mich) so richtig in sich haben und uns einiges abverlangen wird. Von nassen Socken (eigentlich war zwischendurch wirklich alles nass, aber die Sockensituation ist mir besonders im Gedächtnis geblieben), schmerzenden Füßen, plötzlich verschwundenen Wegen, rutschigen Stufen, bimmelnden Kuh- und Schafglocken, wunderschönen Landschaften, Wärme und Kälte war eigentlich alles dabei. Und wir brauchen eine halbe Ewigkeit, bis wir gegen Abend endlich am Ingolstädter Haus ankommen. Ich glaube, die knapp 10 Stunden sprechen für sich.

Wir laufen also an der Wasseralm los und der erste Teil des Weges stellt sich als noch ganz entspannt dar. Es geht zwar stetig bergauf, aber irgendwann gewöhnen wir uns an die Belastung plus die ca. 11 Kilo auf dem Rücken und meistern die ersten Kilometer ganz gut. Das Wetter wechselt zwischen Regen und Sonnenschein und wir stellen irgendwann fest, dass es sich ohne Regenjacke besser laufen lässt, da es unter den Jacken durch die körpereigenen Wärme auch nass und klamm wird. Man beginnt dann richtig von innen zu dampfen. Also entscheiden wir uns nach einigen An- und Ausziehaktionen dazu (man sammelt ja schließlich so seine Erfahrungen), im T-Shirt weiterzulaufen.

Das klappt solange gut, bis sich unsere Wanderung beginnt wie eine tropische Dschungeltour anzufühlen. Die Wege werden immer schmaler, links und rechts immer bewachsener und wir schlagen uns quasi durch nasse Farne, Blätter, Gestrüpp und Gras. Also: Regensachen wieder an. Und dann ist der Weg plötzlich kein netter Weg mehr, sondern verwandelt sich in felsige Treppenstufen (teilweise mit super rutschigen Kanthölzern), die irgendwann gefühlt senkrecht nach oben führen. Und natürlich wird es irgendwann so steil, dass man die Stufen auch nicht mehr alleine hochkommt, sondern sich über Drahtseile auf den rutschigen Stufen nach oben „ziehen“ muss. Im Nachhinein kann ich natürlich großspurig sagen, dass das gar nicht sooooo schlimm war, aber auf dem Weg hatte ich wirklich eine Heidenangst abzurutschen und am Ende überhaupt keine Kraft mehr. Muss ich jetzt ehrlich gesagt nicht unbedingt nochmal so machen. Im Trockenen gerne, aber so – nein danke. Und das Schlimmste ist eigentlich, dass meine Schuhe scheinbar nicht richtig dicht sind und meine Socken jetzt komplett nass sind. Ja richtig, das zweite Paar Socken. Und ein weiteres Paar Socken habe ich nicht dabei.

Als wir endlich am Kärlingerhaus ankommen, ziehe ich all meine Klamotten aus und versuche diese während unserer Pause im Trockenraum zu trocknen. Funktioniert so mittel gut bis gar nicht. Aber wir nutzten die Zeit im Warmen für eine Stärkung, bestellen uns Tee und heiße Suppe und setzen uns direkt neben den Ofen. Ich bin von den ersten fünf Wanderstunden jetzt schon fix und fertig, meine Füße sind aufgrund der nassen Socken irgendwie wund geworden und schmerzen und ich werde überhaupt nicht wieder richtig warm. Aber es nützt nichts, im Kärlingerhaus gibt es keinen Schlafplatz für uns, also wieder rein in die halbnassen Socken, eine Schmerztablette eingeworfen und weiter geht es auf den Weg zum Ingolstädter Haus.

Auf grünen Wege am Grünsee zum ersten Stop am Kärlinger Haus

Wir suchen uns den Weg durch das Steinerne Meer

Zum ersten Mal ist das Ingolstädter Haus in Sicht

Anfänglich schmerzt bei mir jeder Schritt (ja, Tränen waren da auch im Spiel), aber irgendwann bin ich wieder drin im Wandergame, wir kommen gut voran und zwischenzeitlich werden wir von einer Herde Gamsen begeleitet, was mich sehr fröhlich stimmt.

Nach circa zwei Stunden erreichen wir eine Art Kamm, können unsere Blicke erstmalig auf das Steinerne Meer richten und sehen nun auch endlich unser Ziel, das Ingolstädter Haus vor uns. Ich weiß noch, dass ich bei dem Anblick nicht sicher war, ob ich lachen oder weinen soll. Es war einerseits noch so unglaublich weit weg und gleichzeitig war es eine große Erleichterung, endlich das Etappenziel sehen zu können. Ich habe die ganze Zeit zu meinem Freund gesagt, „das sieht bestimmt viiiiiel weiter aus als es ist, das geht bestimmt viel schneller als wir denken“. Spoileralarm: es hat noch richtig doll lange gedauert. Hinter jeder steinernen Kurve, hinter jedem Anstieg dachten wir JETZT SIND WIR GLEICH DA. Waren wir aber nicht.

Es hat wirklich noch ziemlich lange gedauert, aber der Weg war grundsätzlich nicht allzu schlimm und gut zu laufen. Es ging zwar immer mal wieder (naja, eigentlich schon sehr oft!) in kurzen Anstiegen hoch, war aber lange nicht mehr so rutschig und nass wie auf dem Dschungelweg von der Wasseralm zum Kärlingerhaus. Sonst hätte ich mich zwischendurch glaube ich auch auf die Steine gesetzt und kapituliert. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie der Weg gewesen wäre, hätte es geregnet. Da wären wir ungeübten Wandersleut‘ schön entlang geschlittert. Schreckliche Vorstellung.

Irgendwann kommen wir jedoch am Ingolstädter Haus an und ich habe mich so, so, so gefreut als ich diese Hütte endlich direkt vor meiner Nase hatte. Eine unbeschreibliche Erleichterung. Also ab ins Warme, Rucksack ab, nasse Sachen aus + trocknen, Zimmer beziehen (da war es dann leider wieder recht frisch), warm duschen und ab nach unten an den warmen Ofen im Gastraum. Und während es draußen immer ungemütlicher wird und richtig stark anfängt zu regnen, sitzen wir mit dicken Socken im warmen Gastraum und lassen uns Spaghetti, Röstl und Bier schmecken. Als wir später auf dem Zimmer sind und uns mit langer Unterhose, Fleecejacke und Mütze ins Bett legen, kommt zu späterer Stunde tatsächlich noch ein total durchnässtes Pärchen an. Die Beiden tun mir richtig arg leid, wie sie da im Regen den Weg zur Hütte gelaufen sein müssen.

Letztendlich kann ich sagen, dass ich eigentlich schon nach den ersten fünf Stunden bis zum Kärlingerhaus fix und fertig war und auch heute nicht genau weiß, wie ich die restliche Strecke eigentlich überstanden habe. Auf jeden Fall mit guten Schmerztabletten. Ein Hoch auf diese medizinischen Erfindungen. Fakt ist allerdings, dass meine Füße seit dem Tag wirklich in Mitleidenschaft gezogen wurden, ich aber zu dem Zeitpunkt zum Glück noch nicht weiß, wie sehr.

Auf dem Weg vom Kärlingerhaus zum Ingolstädter Haus

Link: Hier findet ihr weitere Informationen zum Kärlingerhaus

Link: Hier findet ihr weitere Informationen über das Ingolstädter Haus

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