Alpenüberquerung Etappe 4: Vom Ingolstädter Haus, über das Riemannhaus nach Maria Alm

Vor dem Frühstück sprinten wir im strömenden Regen in den außenliegenden Trockenraum um unsere nassen Sachen zu holen. Und Überraschung: der Raum ist so vollgestopft mit Wanderausrüstungen, sodass natürlich NICHT alle Sachen getrocknet sind. Ich würde mal sagen, 50 Prozent der Sachen können wir wieder anziehen, der Rest ist nass. Natürlich auch meine Schuhe. Da haben wir uns scheinbar die falschen Trockenplätze ausgesucht.

Wir haben aber trotzdem Glück, denn der Regen hört nach dem Frühstück endlich auf. Perfektes Timing sozusagen und unsere Stimmung könnte nicht besser sein! Das Warten hat sich gelohnt und es ist direkt spürbar, wie sich das gute Wetter auf die Psyche auswirkt. Es könnte, bis auf die nassen Socken, nicht besser sein. Wir verzichten am heutigen Morgen auf ein Frühstück, trinken lediglich Kaffee und Tee, packen unsere sieben Sachen zusammen und weiter geht es für uns auf der heutigen Etappe durch das Steinerne Meer, über das Riemannhaus und unseren ersten Abstieg auf der Tour ins Tal nach Maria Alm.

Als wir losgehen, liegt die Landschaft noch im Nebel und nur hier und dort blitzt vereinzelt mal ein Sonnenstrahl durch die Wolken. Richtig mystisch ist es, so durch die Felsen zu laufen und wir bekommen nur wenig später die komplette Portion Alpenkitsch geboten: aus dem Nebel kraxelt (durchaus eleganter als wir) direkt neben uns eine Gruppe Steinböcke über die Felsen. Wir entdecken sie nur, weil auf ihrem Weg ein paar Steine losgetreten und wir durch die Geräusche auf die Tiere aufmerksam werden. Sie sind im Nebel kaum zu erkennen und leider schon recht bald wieder aus unserem Blickfeld verschwunden.

Im Nachhinein ist mir das plötzliche Auftauchen der Steinböcke ganz stark im Gedächtnis geblieben und ich denke noch häufig daran, wie wunderschön es war, diesen Moment zu erleben und wie leicht es diesen Tieren im Gegensatz zu uns Menschen fällt, sich in den Bergen in dieser kargen Felslandschaft zu bewegen.

GESAMTSTRECKE von 20,2 km in 9:12h
HÖHENMETER 500m bergauf/ 1740m bergab

Während unserer heutigen Etappe wird uns jedenfalls nochmal in aller Deutlichkeit klar, woher das Steinerne Meer seinen Namen hat. Wir wandern bis zum Riemannhaus über die Karsthochfläche und die Felsen ziehen sich in immer neuen Formationen aus Ebenen, Wellen, Steinvorsprüngen und Plateaus endlos durch die Landschaft. Laut Wanderführer wandern wir bis zum Riemannhaus auf dem „Eichstätter Weg“ mit der Markierung 401, auf dem wir die komplette Zeit bleiben und keine der genannten Varianten einschlagen. Für uns ist die heutige Etappe mit den laut Wanderführer geplanten 15 Kilometern (bis wir am Nachmittag in der Unterkunft sind, stehen dann natürlich auch wieder 20 Kilometer auf der Uhr…) lang genug und wir haben nach dem gestrigen Tag auch wahrlich keine Lust auf große Überraschungen was die Wegstrecke betrifft.

Irgendwo zwischen Ingolstädter Haus und Riemannhaus machen wir eine Pause, legen die Rucksäcke ab und machen uns über unsere „Frühstückspakete“ aus der Ingolstädter Hütte her. Wir haben nämlich in den letzten Tagen festgestellt, dass wir so früh am Morgen noch keinen großen Hunger haben und unser Frühstück lieber an einem schönen Platz draußen in der Natur einnehmen. Also freuen wir uns mit Blick in die Berge über wirklich richtig leckeres Käsebrot, Obst und ein Balisto. Wie lecker kann bitte so ein Schokoriegel sein? Und ehrlich gesagt ist das Frühstück aus dem Lunchpaket das beste (und günstigste) Frühstück der gesamten Wandertour, nur so als kleine Notiz am Rande.

Für uns geht es nach der Frühstückspause weiter in Richtung Riemannhaus. Der Weg dorthin ist überaus angenehm zu laufen, wunderschön und immer wieder mit tollen Aussichten versehen. Das Riemannhaus liegt in der Ramseider Scharte oberhalb der Orte Saalfelden und Maria Alm auf 2.177 Metern und wurde im Jahr 1885 eröffnet. Die Lage der Hütte ist absolut spektakulär und wirklich, wirklich besonders, da die Berge direkt neben der Hütte steil in die Luft ragen und die Hütte so ganz klein zwischen all den Bergen wirken lässt (s. Titelbild).

Als wir am Riemannhaus ankommen, treffen wir einige der Wander*innen aus den vorherigen Hütten wieder und sitzen nur wenig später mit Margit (wir haben sie beim Abendessen auf der Wasseralm kennengelernt) draußen auf der Terrasse, essen Germknödel und trinken Spezi. Margit ist wie wir den gestrigen weiten Weg von der Wasseralm zum Ingolstädter Haus gegangen und kurz nach uns auf der Hütte, zum Glück auch noch im Trockenen, angekommen. Wir sprechen über den vor uns liegenden wirklich steilen Abstieg, der stellenweise mit Drahtseilen gesichert ist und mir wird allein bei dem Gedanken schon ganz mulmig. Diese steilen Passagen machen mir immer wieder ein ungutes Gefühl (okay, das ist untertrieben, ich habe teilweise richtige Panik und hab tierisch Schiss) und ich hoffe, dass ich mich im Laufe der Zeit daran gewöhne und sich die nötige Trittsicherheit entwickelt.

Erste Pause auf dem Weg nach Maria Alm mit dem besten Frühstückspaket der gesamten Reise

Unser Weg durch die unterschiedlichsten Felsformationen setzt sich auf der Etappe fort

Ein letztes Foto vom Riemannhaus und den ersten Teil des bereits gemeisterten Abstiegs

Margit macht sich kurze Zeit vor uns an den Abstieg und wir können von der Terrasse beobachten, wie sie sich langsam Stufe für Stufe und Stein für Stein nach unten arbeitet. Ich bin ganz schön aufgeregt und angespannt und kann nicht mehr lange abwarten, mich ebenfalls auf den Weg zu machen. Also schnell wieder rein in die warmen Sachen, nochmal auf die Toilette (die Aufregung ist wirklich groß), die Wanderstöcke an den Rucksack geschnallt – damit man sich bei runtergehen auch bitte schön mit BEIDEN Händen festhalten kann und runter geht’s ins Tal.

Nachdem wir uns an die Stufen und den steilen Weg gewöhnt haben, macht der Abstieg unfassbar viel Spaß und wir genießen sowohl den Ausblick ins Tal und auf die nächste Bergkette als auch den Blick zurück hinauf zum Riemannhaus. Uns kommen immer wieder Wander*innen entgegen, die auf dem Weg hinauf zur Hütte sind und mittlerweile vertrete ich den Standpunkt, dass der Abstieg aber mal sowas von sehr viel angenehmer ist, als der steile Weg über die Treppen nach oben. Da wär‘ ich raus!

Was allerdings weniger viel Spaß macht, ist der Weg nach dem steilen Abstieg über die geteerte Hauptstraße zu unserer Unterkunft. Ich lerne im Laufe der Wanderung auf schmerzhafte Art und Weise, dass meine Füße das Laufen auf geteerten Straßen überhaupt nicht mögen und meine Fußsohlen sich nach einer gewissen Zeit anfühlen, als würden sie brennen. Die erste Zeit nach dem Abstieg auf der Schotterstraße geht es noch einigermaßen und wir machen nochmal eine kleine Pause auf zwei Holzliegen in wunderschöner Lage am Waldrand und legen die Füße hoch. Allerdings ist der restliche Weg nach Maria Alm und weiter durch den Ort zu unserer Unterkunft für mich eine echte Herausforderung, weil meine Füße einfach furchtbar wehtun. Es ist das erste Mal auf einer Wanderung, dass ich solche Probleme mit meinen Füßen bekomme und ich kann noch nicht richtig einordnen, woher das plötzlich kommt.

Ich bin demnach mehr als glücklich, als wir nach knapp neun Stunden unser Zimmer beziehen können und ich meine Füße versorgen kann. Diagnose: ziemlich wund und vier Blasen zwischen den Zehen. Schuld sind vermutlich die nassen Socken, die meine Haut in den vergangenen Tagen aufgescheuert haben. Es könnte weitaus schlimmer sein, allerdings weiß ich auch, dass die vor uns liegenden Etappen nicht unbedingt dazu führen, dass meine Füße geschont werden. Also kühle ich, creme die Füße ein und versuche, sie so gut es geht zu schonen. Auf der morgigen Wanderung werde ich die Blasen mit Tape ankleben und hoffe, dass es nicht schlimmer wird. Wir werden sehen, wie sich die Situation in den kommenden Tagen weiterentwickelt…

Am Abend gibt es in der Unterkunft ein sehr leckeres Essen, bestehend aus Suppe, Hauptgang und Nachspeise für uns und wir sitzen noch ein paar Stunden am Tisch, schreiben Tagebuch und lesen im Wanderführer, bis wir irgendwann ins Bett fallen und nach kurzer Zeit einschlafen.

Ach ja, unsere Wäsche wird freundlicherweise in der Unterkunft gewaschen. Ich bin anfänglich noch total happy über die Freundlichkeit der Gastwirtin und den Service, allerdings werden uns am nächsten Tag beim Auschecken knapp 20 Euro berechnet. Dass die Wäsche und das Trocknen Geld kostet war uns klar, aber diese Summe erstaunt uns dann doch und sorgt kurzzeitig für schlechte Stimmung. Wir lernen daraus, beim nächsten Waschgang lieber vorher nachzufragen, wie teuer die Wäsche ist. Ich kann allerdings vorwegnehmen, dass wir auf dem weiteren Weg häufig gar nichts mehr oder nur einen kleinen Betrag für die Wäsche zahlen müssen. Keine Ahnung, was dort in der Unterkunft für Zauberwaschmittel benutzt wird, das diesen Preis rechtfertigt. Naja, jedenfalls sind unsere Sachen wieder frisch und riechen nicht mehr nach klammer Berghütte und nassen Socken. Was ja letztlich dann doch durchaus positiv für alle Beteiligten ist.

Nach dem Abstieg und etlichen Kilometern auf Rollsplitt und Teerstraße pausieren kur vor Maria Alm nochmals auf Liegestühlen im Wald.

Füße hoch und kurz die Augen zu. Gemütlicher könnte es gerade wohl kaum sein.

Links:
Hier findet ihr weitere Informationen zum Riemannhaus

Auf der Seite des DAV gelangt man zu den Buchungsportalen zum Ingolstädter Haus und zum Riemannhaus

Wir haben auf unserer Tour den Wanderführer von Christof Hermann genutzt

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